Mudlark

An Electronic Journal of Poetry & Poetics

Never in and never out of print...

ISSN 1081-3500 | Copyright © Mudlark 1996

Editor: William Slaughter | E-mail: mudlark@unf.edu

URL: http://www.unf.edu/mudlark



Copyright

Alle Rechte fallen nach Veröffentlichung an die Autoren zuruck. Von Mudlark veröffentlichte Texte dürfen ohne schriftliche Zustimmung der Autoren oder Herausgeber nicht kommerziell vertrieben oder nachgedruckt werden. Sie dürfen nur dann zum privaten Gebrauch verbreitet werden, wenn dieser Hinweis auf das Copyright mit abgedruckt wird. Öffentliche Archivierung in elektronischen oder gedruckten Medien ist nur in vollständigen Ausgaben gestattet und nur, wenn der Zugang zu den Texten kostenfrei ist.



Mudlark No. 4 (1996)

Ein Gespräch mit Martin Heidegger

Aus dem Amerikanischen von Josef Pesch

      für Kathy Rugoff



Einführung

Worauf beruht es denn, daß die wissenschaftliche Technik neue Energien in der Natur entdecken und freisetzen konnte? Dies beruht darauf, daß seit einigen Jahrhunderten eine Umwälzung aller maßgebenden Vorstellungen im Gang ist. Dadurch wird der Mensch in eine andere Wirklichkeit versetzt. Diese radikale Revolution der Weltansicht vollzieht sich in der Philosophie der Neuzeit. Daraus erwächst eine völlig neue Stellung des Menschen in der Welt und zur Welt. Jetzt erscheint die Welt wie ein Gegenstand, auf den das rechnende Denken seine Angriffe ansetzt , denen nichts mehr soll widerstehen können.

                     --Martin Heidegger. Gelassenheit
                      Pfullingen: Verlag Günter Neske, 1959

Schon vor seinem ersten Buch, 1927, war der junge Dozent Heidegger sehr angesehen. 1933 als Goebbels zur Verbrennung von jüdischen, sozialistischen und anderen Büchern aufrief, in Freudenfeuern, die oft von Studenten und Professoren gefüttert wurden, schwor Heidegger Loyalität zu Hitler und nahm die Stelle des abweichlerischen Rektors ein. Schon lange deutscher Nationalist, führte Heidegger die Bewegung an, Arbeiter und Studenten in der Partei zusammenzuführen. Er unterschrieb die Entlassungsschreiben jüdischer Professoren. Einer von diesen, Werner Brock, später Herausgeber und Kritiker Heideggers, behauptete, Heidegger hätte nicht anders handeln können. Als Hitler ihn 1933 und 1935 in München haben wollte, blieb er in Freiburg, und legte nach 1934 sein Amt als Rektor nieder, wegen zur großer politischer Beeinflussung. Er unterstützte die Nazis am stärksten in seinem Jahr als Rektor zu einer Zeit als ihre Macht noch gering war. Untersuchungen der Franzosen nach dem Kriege sprach ihn von Kriegsverbrechen frei.

Von Heideggers loyalen Studenten, war Sartre (der bei Heidegger und Husserl in Berlin studierte) in der Ressistance und in einem Nazi-Gefängnis, und Hannah Arendt (Heideggers ehemalige Studentin und Geliebte) wurde im New Yorker Exil zu einer einflußreichen Gesellschafts und Rechtsphilosophin. Einige halten Heidegger für den Denker seiner Zeit, andere finden ihn original aber unhaltbar. Sein Denken basiert auf dem Konzept des Daseins, an das er sich teilweise hielt indem er in Freiburg blieb, obwohl es in wichtiger Weise sein Denken von seinem Handeln schied.



1

Bruder Martin! Hier? Und du bist in meinen Gedanken.
Doch du fühltest dich zu Dichtern hingezogen. Ruhe an meinem Feuer--
eine Seltenheit, inzwischen, in diesem Labyrinth aus roten Ziegelsteinen.

Wir blicken in meine blauen Flammen und sind bald verschwunden,
unser wahres Selbst bleibt in unserem Werk,
sagst du, während wir einfach nach Freiburg zurückfliegen,
wo an deinem schwachen Feuer, zehn kurze Jahre nach
der Aufdeckung, du immer noch sitzt,
"zurückdenkst" an die ruhmreiche Vergangenheit
Schwabens--dein Eckchen Armut--
und ich brenne, dich nach wie hieß er noch zu fragen--dem Rektor,
dessen Stelle du eingenommen--und diejenigen, die du abgesetzt hast.

Dies alle-Dinge-im-Konflikt-verbunden,
nennst du wahre Intimität, und sie bindet uns enger
an unseren eigenen Grund, wo im Zerstören wir handeln, und im Handeln
negieren. Ich mag deinen petite scandale nicht;
wir sind diskret. Kann ich oder meine Kollegen dich verurteilen?
Ehrgeiz, sagst du, heißt nur sich im Kreis drehen und seinen
eigenen Schwanz jagen. Wie wahr, aber wir wollen auch
wissen, da du uns alle im Dasein verwurzelst,
wie konntest du die verpestete Luft atmen, worin
du die Notwendigkeit erfaßtest und dich männlich in
ein zerbrochenes eisernes Kreuz warfst, deiner entschlossenste
Pose, mit der du Geschichte durch deine Interpretation möglich machst.

Wann wird Subtilität zur Sophisterei, Bloßstellen von Pornographie
zur Obszönität: Ankläger zum Angeklagten? Wo
Denken kalkulierend ist, sagst du, und nicht meditativ.
Ausgezeichnet, Martin. Ich werde mich erinnern.



2

Diese Formen füllen und halten lang-gewalttätige Tage:
deine Heimat, Freiburg, die Universität, deine Hütte hier
in den Bergen des Schwarzwalds, Europa--halb-zusammengeflickt
nach dem Krieg, der alle Kriege beenden sollte--dieses feudale Blutbad.
Neue Schrecken in alten Blutbahnen, England
und Frankreich unterstützten Schläger gegen die Wünsche
der lange unterdrückten Überbleibsel des Kaiserreichs,
(vorsichtig, um das schlampige, parfümierte Tantchen nicht zu versetzen),
neue Papiertiger aus den Ministerien in Paris und London,
unser FBI schikanierte auch '42 noch Antifaschisten,
während unsere Jungs starben, und sterben, für lateinamerikanische Marionetten--
Cartoonfiguren mit Glatzköpfen, Schnäuzern
all dies formt dein Denken, und schlägt unserem immer noch Narben,
grässlich verändert als dein Dr. Goebbels sagte:
"Verbrennt ihre Bücher! " Ich bin gerade heraus, Martin.

Später--
Leichenruß überzog Europa wie ein Leichentuch--
plauderst du über Hölderlins zerrissene Heimkehr, über Alpen,
zu Volk, Wald, Feld, ihr beide gefangen in nebligen
Metaphern des 19. Jahrhunderts, träumt von einer Wiedervereinigung,
Anschluß.
          Welcher Teil dieses großen, grünen Feldes
sind deine 40 Morgen; welcher Bogen dieses blau-äugigen Himmels,
fragte ein Freund, ist zu Hause?

Wo sich die Zunge spaltet
in Gedichte und Politik, ist Dichtung, sagst du,
Stille, ein Trost für Viele. Ist sie berechnend,
Martin, diese Meditation, diese Stille?



3

Nach einem Jahrzehnt, in dem deine Vorlesungen die
besten Europas anzogen--Sartre, Arendt (deine eigene Jüdin)
unter ihnen--gabst du deine Stimme dem Bodensatz
deines Tiegels in seinem entscheidenen Jahr,

pflegtest dann eine endlose Stille
nachdem du Schafe für Wölfe an geführt hattest. Schafe brauchen
glaubtest du, neue Verschläge für Schafe,
sonst blöken Schafe und werden gefressen--
Blöken stieg bereits in deine Bergluft auf.

Doch muß es dir gut gegangen sein als du sagtest
Dichter benennen Götter und alle Dinge so wie sie sind,
und versehen nicht einfach Bekanntes mit Namensschildern--
eine Unterhaltung in den Kammern und Korridoren
der Welt. Indem wir das notwendige Wort sprechen,
benennen wir Dinge, und das Benannte wird bekannt--oder verborgen:
Du zensiertest deine früheren Erwähnungen von Husserl.

Wir gebären das Sein durch das Wort,
unsere Stille erstreckt katholische Öden um uns.

Auch uns geht es gut, wir haben viele hervorragende Dichter.
Doch in manchen Momenten möchte ich sagen,
Schöne Scheiße, Martin.
                Wahrheit kann lügen.
Gotteswillen, Spuck es aus!
                Armer Hölderlin, verrückt,
hat das Madigwerden seines Erhabenen vorhergesehen, Kierkegaard
stöhnt angesichts unserer entblößten Epoche, Nietzsche
versuchte, uns wachzurütteln--
                unsere Dichter in Anstalten
und Gefängnissen. Lobotomien, verlorenen Verbindungen.



4

Ist Kierkegaard vor deinem Feuer in der Nacht allein,
erschaudert, angesichts der Kohlen von Ausgestoßenen du hast einmal
von der Furcht erzählt, die wie er sagte unsere Zähne füllt und windende
Venen, wenn wir uns von anderen aus der Hand nehmcn lassen, für uns,
die schrecklichen Zügel einer Welt in der wir dem Sterben überlassen,
täglich die Freiheit und Notwendigkeit zur Wahl ertragen müssen:
das Äesthetische, für Dinge die ins Sein erhoben,
oder das Ethische, für das Seiende: diese Janus Münze.
Nur ein Schritt, kein Sprung, zum schlampigen Stolzieren.

Deine Frau, die ein--und ausgeht in deinem Arbeitszimmer, um Schriften zum
Neuen Deutschland aus den Regalen zu holen, hört zu. Ihr beiden gabt
eure Kinder dem Heiligen Vater und dem Führer,
im Jahr der Bücherfeuer, die rasten in dir,
gabst deine Studenten den Flammen preis
(damit nicht sie dich ihnen überstellten?) Hast du ihr gesagt, daß
Hannah deine Muse war, bevor oder nachdem du Juden gesäubert hast
aus dem Lehrkörper in Freiburg, für die SS?
Bringen kleine Lügen die neuen Wahrheiten zum singen?

Sie kommt zurück für weitere Schriften. Hannah sah sie dort,
nach dem Krieg, war sicher, daß du keine Geduld haben würdest,
das dunkle Schicksal dessen zu lesen, den du Mein Führer nanntest.

Wenn Hannah deine Reden für das Neue Reich gelesen hat
(ist solche Geduld möglich?), muß sie auch diese
beschönigt haben. Aber deine Bucher waren oft Sümpfe,
Martin, Hannahs mehr wie Bergflüsse
denen du gerne nahe warst, und aus klareren Ursprüngen--
Augustin, Jaspers, Buber; der Bibel näher als deinen.



5

Wieder zu Hause, in der Sprache der Heimat ihres Herzens,
glitzerte Hannahs Stimme sicher, denn alles um dich--
deine Frau herein und hinaus--war geschickt auf Film gezogen.

Hannah webte Entschuldigungen für dich, wie man für ein Kind strickt,
doch die können uns kaum mehr beruhigen als sie.

Du hast mit stillen Mördern zusammengesessen, lange, lange nachdem
es klar war--klar von Anfang an--sie spiehen in
Hölderlins hohe Ströme von Lippen, die deine
Träume beschmutzten, ritten gestohlene Pferde, zertrampelten Erde,
ernährten abszestuöse Wurzeln unter neu geteerten Straßen.

Versailles war nur ein Pickel auf dem Geschwür, das Nietzsche
lang vor Versailles sah. Narzissus sah
nur die süße Oberfläche des fauligen Wassers,
wie Wagner, vor Versailles, stöhnte leidenschaftlich
nach dem alten, pickeligen, einbalsamierten, stinkenden Liebchen--
wir liebten keine Opern auXer seinen in den 30ern--
verwischten Europas Ideen, bereiteten es für Verschmelzungen.

Was deine Worte verdreht ist der Aspekt, den sie abweisen.
Du hast Wurzeln in uns hineinverfolgt, die Nirgendwo hinführen.
Berechnende Meditation.
     Sch--Still! Sag uns nicht, daß
wir vom Tier in uns umzingelt sind; sag nicht,
Kollegen werden uns verkaufen, wenn die Barbaren kommen,
um zu erwecken, was in der Knochenhütte liegt. Vielleicht
wird das Tier schlafen, wenn wir still sind. Vielleicht
haben wir nur mehr Glück, sind aber nicht besser als du. Gestern
und Heute sind Morgen. Du bist die Welt.



6

Wenn Sam Johnson nicht gegen einen Stein aus Luft treten konnte,
fliegen doch bedrohliche, unsichtbare Steine um uns,
Abfall des Geistes verstreut im Kriegsschutt.

Ein Leichenzug begleitete deinen Rückzug von der Erde.
Lager schon nahe bei dir '33--
Sachsenhausen, Dachau, Oranienburgdeine--
deine Metaphysik ein ausgestreckter Arm.

Wassisspassiert Mittdemm? Hat Goebbels es
einem Ausschuß überlassen, Schuld unter uns zu verteilen
wie schlechte Luft? Was hättest du nicht getan, um
Kinder aufzuziehen in dem Dunstnebel, den du Heimat nanntest?

Als seine ersten groben Aktionen noch des Wegschauens
Deutschlands und Europas bedurften, gaben du und Pius
Hitler das Gütesiegel. Ein Außerordentlicher unter
deinen Kollegen. Ob Pius dich nicht überzeugte,
als ehemaligen Novizen, doch beide ordnetet ihr
Intellekt, Gefühl, und Menschlichkeit
dem gleichen Mosaik unter--Kirche, Staat, Familie.

Später, in die Berge zurückgezogen in Bauernkleidung,
in der Hütte, die wie Hölderlin sagt, den Menschen definiert, den
Hüttenbauer, konntest du da keine Worte finden, in den Wäldern,
für den Schmutz im Blut deiner Tage?

Zu spät für dich oder sie, zu früh für uns.
Keine Pistole an meinem Kopf oder an dem meiner Familie, wir profitieren.

Bin ich kompromißlos? Jeder Tag, hier, ist auch
ein Kompromiß und ein Tod, Martin. Ich bin stumm,
nur ein hohler Baum in heiserem Wind
Wenn ein Dichter keucht, wer hört den durchstoßenen Gott?



7

Du warst ein Gott, beinahe, der hätte heulen können
den Atem, den du moduliertest zu stillem Gas.

Auch hier arbeiten einige hart, jeden glitzernden Zahn
zufrieden zu stellen, wenn auch weniger originell als du, springen
sie durch armselige Reifen aus Unschuld und Witz--
ohne je zu erröten. Ich werde rot bis zu meinen Narben,
diese alten Verborgenen, unter einem alten Hut,
unmodern und so zerschlissen wie ein Haarnetz.

Wir alle flüchten vor privaten Feuern. Du in deinen dunklen
bäuerlichen Wurzeln deines blutes. Gesetzt, dunkles Haar, dunkle Augen,
tief verwurzelt hier. Wer immer sich bei dir versteckt,
unter deiner Bauernkleidung, es ist nicht der erweckte Tote.

Hier, wo Feuerlicht und Nacht lecken, bist du weniger
wahr als deine späteren Deutungen deines frühen Werks,
wo du dir endlos deine Hände wäschst und über Unaussprechliches
theoretisierst, was der junge Mann, den du zu kennen dich bemühst,
nie hätte erraten können, ohne zu sehen, was du
sahst und wofür du nicht einmal Worte zu finden versuchst.

Es heult, Martin. Wer spielt deinen Priester; du--
einst ein Novize--wäschst dich mit Hölderlins
Lüge vor Mutter, daß sein Streben das Harmloseste ist,
das Unschuldigste, während Heimwehpfade
auf alpinen Felsvorsprüngen führen wo Träume vom Tal
im Nebel tief unten verschmelzen mit brudermordenden Alpträumen.
Nichts wäscht, Martin. Jedes Atom enthält eine Galaxie,
alle Gallaxien sind ihr Echo, und wir die Regionen in allen
Individuen. Der Hunger nach Reinigung eines erlösenden
Fleckens Erde zerbricht und zerstreut seine Überbleibsel.



8

Sicher hat Pascal, Nacht um Nacht, mit unserem Verlangen gespielt
unsere Karten verdeckt zu halten, während Nietzsche uns in die
Scheiße zurückwarf, die wir schaffen, als Worte durchziehen wir das Dunkel,
spielen Poker mit den stillen Mördern, Wesen

unsere Einsätze und Scheiterhaufen, Solitaire mit dem Sein, zeigen uns
Wälzer über Motive für Obskurität jenseits von Faulheit
oder Narzismus. Tore der Schöpfung geschlossen, verbotene
Musen exiliert--ins Feuer oder nach Amerika--was macht der Unterschied in
der Formlosigkeit, die du gepriesen?

Fantasien neuer Formen steigen aus dem Humus.
Welche verschwenderischen Entschuldigungen. Stimme entblößt für die SS,
du warst kein schlechter Deutscher oder guter Deutscher.

Du warst ein repräsentativer Mann--nicht schlimmer
oder ein wenig besser als die Meisten--zu sehr wie wir.
Du stelltest dein Land über die Erde, nur ein Ar in
Privilegien und Prestige über denen, die im Wege
deiner Belagerung standen. Das ist nicht bodenständig,
Martin, das ist nicht Dasein.

Haben sie dir die Asche deines Sohnes in einem Schuhkarton gebracht,
und gesagt, der jüngere könnte ebenso verpackt werden?
Nein, das war ein Professor in Wien, der Preis
des Anschlusses, Waldheim als Botenjunge,
während er seine koprophagische Dissertation schrieb
über die Dämmerung des Tausendjährigen Reiches.
Er ist immer noch ihr Botenjunge, immer noch
Generalsekretär der Krematorien.
Diese Asche immer noch die meines Bruders, ich, sein Vater.



9

Kurt, mein Freund und Philosoph aus Hamburg, sagte:
"Es hat kein Ende; als Karin 17 war, fragte sie:
'Werde ich mich immer schmutzig fühlen, weil ich Deutsche bin?"'
Du hattest ein Vierteljahrhundert nach D-Day,
Martin, und was für sie? Was hättest du sagen können?
Kurt sagte ihr, was die Eltern von Hans gesagt hatten: "
"Es gibt kein vollkommenes Volk, meine Tochter, mein Sohn,
und vielleicht keines, das dem nahe kommt.
" Ja, sage das,
Kurt, wenn es hilft--was ist und war sollte nicht
die Last des Kindes sein, die sie ist--doch füge hinzu: das Schwere
ist, nicht Abstraktion zu sein, sondern menschlich,
angesichts und im Kampf gegen in unserem Namen begangen Verbrechen.

Das Schwere ist, zu wissen, wie wenig sich ändert--
nach Nürnberg, Vietnam, Libanon, Haiti
(der endlose Strom derer, die ertrinken in
unseren Litaneien der Unschuld). Es ist schwer, unsere Aufseher
des Geistes oder Buchstabens zu kennen, die, wenn nicht schlimmer,
doch nicht besser sind, zwischen Schmutz und Seife unterscheiden können
inmitten dieser Rattenarschethik mit der wir leben, Bequemlichkeitsnester
in denen wir Leben anhäufen mit den täglichen Gründen
unserer Lügen: Akademiker, die nicht wissen, welches Jahrhundert
Hitler niedermähte, wie, oder auf welcher Seite wir damals waren
oder jetzt sind, für die Zeitungen Sechstklässlersprache schwärzen
in Fünftklässlergedanken, um mit Aktionen der Werbeagenturen
zu konkurrieren, die für den Kongress organisiert werden, und für uns,
zusammen mit unserem Leben. Wahrheit/Wermut, sagen Großhändler
und Wissenschaftler plappern nach, ist was Kunden kaufen,
und durch sie zeigen uns Verleger der Postmoderne
noch perfektere Einheit--Klauen und Fänge von
Wölfen mit Herzen und Hirnen von Schafen.

Arn schwersten ist es, Sklaven von Freien zu unterscheiden,
Chamäleons und Schildkröten von Dichtern und Humanisten.



10

In deinen Nazi-Nächten, wenn Hannah dich besuchte,
an deinem unruhigen Feuer, Augustinus mitbrachte,
um ihre Dissertation zu besprechen, dort auf deinem Regal,
seine Gedanken über Liebe neben dem Müll, hast du ihr gesagt,
wie sie den Flammen entkam, die dich verbrannten?--
töntest du, Liebes, nichts zählt bis wir es sagen.
Martin, hat sie gesagt, Du erwähnst Liehe zwei Mal
in deinem ganzen Werk; was zählt für Nazis?

Hast du gesagt, Vaterland, Heimat, Kinder; hat sie
gefragt, Was außer Hunden? Die waren nicht Nazif iziert.
Ich interessiere mich nicht für deine Sentimentalität.
Das war,
was sie dachte, und war zu gutmütig, es dir zu sagen.

Wir lernen, uns zu unterhalten, indem wir uns selbst befragen,
sagte Augustinus, er sprach von seiner Gemeinschaft,
war er Goebbels' Echo oder hat er erklärt, wie Liebe unseren
Willen einbezieht, durch unsichtbare Stränge auf Flaschenzügen aus Licht,
hin zu Dem, dessen schwaches Echo der Mensch ist, frei
zu singen oder hohl zu klingen. Lumpen der Wahrheit verleihen stinkende
Heiligkeit den Solipsismen an denen dein Neuer Student hängt,
während helle Messingköpfe Eisen zu Blech alchemisieren
und von Popverbindungen träumen aus Plastik und Aluminium.

Martin, dein sterbendes Feuer braucht neues Fleisch, vielleicht
das dieser brillanten Jüdin, über der
deine Logik Heil ruft den Mördern.

Hast du uns nicht gesagt, daß Worte Konsequenzen haben;
Hinkendes Denken ist der Weg des Wartens?



11

Die Namen die meine Zunge nicht sprechen kann, sind nicht jene, die,
auf deine Weise, immer noch unsere Universitäten falsch strükturieren.
Ich will wissen welche Krümmungen wir durchtunneln,
in Kenntnis dieser Unsagbaren. damit wir unsere
täglichen Eitelkeiten pflegen können, unsere Standards fürs Lebens?

Martin, wir statten immer noch gebügelt-weiße Hemden aus;
Jahrzehnt um Jahrzehnt: wo immer Friedensanleihen heute
töten. Das FBI setzt Journalisten oder Gelehrte unter Druck,
weil sie versuchen mit Autoren der Freiheit zu singen,
das Einzige, das uns selbst oder andere noch retten kann,
hier, in Managua, Soweto oder Port-au-Prince,
wo Körper seltsam wachsen aus Schmutz oder Asphalt,
unsere Fingerabdrücke in den bleiernen Wurzeln roter Blumen.
Protestierende Studenten bedroht in stillen Nächten
Dekane, die mit ihren Schwänze wedeln (deja vu Edgars
Jungs nannten Integrationalisten 'Rote' in den Fünfzigern)--
auch wir machen Un-Personen aus denen, die protestieren--
wie unser Präsident, alles überdeckendes Lächeln und getöntes Haar,
mit den Achseln zuckt und von Freiheit spricht, unsere eigene
schwachsinnige Wagnerianische Bühnenfigur--wo der Befreier saß --
tötet er die Revolution eines anderen, wie Chrysler Liberty umbaut
nach dem Buch der 0, aus ihr eine flotte Lady macht
für United Fruit, die Höhlungen
weitet, bis Panzer durchpassen, Vorspiel des Krieges.
Der Präsident der Filmschauspieler spielt SS
fürs FBI, verschreibt uns Kapseln um den Terror
in unserem Blutbahnen zu metabolieren, in denen
seine U-Boote aufsteigen, den Potomac hinaufgleiten zum See aus Eis
im Zentrum, seine Hauptdarstellerin gleitet an seiner Seite,
nichts Echtes außer den Kostümen, Rollen, und den herausgemachten,
zurechtgemachten Evangelistenpredigern, die Richtung weisen, und
schreiben doch ein wahnsinniges Stück, in dem die Wähler Statisten sind.



12

Martin, ich habe nachgedacht, und kalkuliere mein Risiko,
doch möchte ich lieber zum Schweigen gebracht werden als schweigen.
Dies sind unsere Entscheidungen, hier steht es uns frei,
zu sehen oder nicht, wie wir wollen. Die Fragen, die du stellst
uber Schöpfung und Zerstörung, die Beziehung zu denen
die den Preis der Macht ernten in dunklen Schlachthöfen--laß mich:
Warum versteckt sich Gott? Ist Dichtung Quark? Wird er die
ausgestoßenen Armen nähren, die verwirrten Gefangenen?

Welche Spiegel ermöglichen Verkehr zwischen zerrissenem Europa
und denen die rissen? Sind unsere geschmeidigeren Obsessionen
leichter erziehbar als deine? Dein Schweigen und unseres
leisteten Beihilfe. Niemand ist unschuldig, doch keuchen Unschuldige
und sterben in deinen Sätzen, und in unseren.

Wir schlucken Blut alter Schriften, verschwenden braunhäutige Babys
als Terroristen, um Hollywood zu sichern, sorgen uns mehr
um Foeten als um die Abgeschlachteten, Ignoranten,
und (auf so vielen Arten) Verhungernden. Christus blutet
in Museen; wie balsamieren Kinder mit vertrockneten Ideen,
Angst-erstarrt vom alten Terror in der Blutbahn.
Martin, wir wissen noch nicht wer von uns beiden besser ist.

Loyalität von denen, deren Werk du verbrannt hättest
für Goebbels im Jahre deines lauten Aufstiegs, macht es
ebenso schwer dich zu übersehen wie dir zu vergeben. Du verdankst
jenen zuviel, die Schläge erhielten, denen du nicht entgegen getreten bist.
Sartre macht dich zum Haar-des-Hundes nach der Orgie.
Aber Gott ist nicht tot, antwortetest du, nur verborgen.
Ja, Martin. Er wurde zum Schweigen gebracht, alleine, im Gefängnis,
mit Dietrich Bonhoeffer. Bruder Dietrich starb dort.
Doch war er nur einer der Nummerierten und Unzähligen.



13

Dein Angebot, bei der Umerziehung Deutschlands zu helfen, lehnten wir ab,
schlossen aber die Naturwissenschaftler in unsere Arme, die geholfen hatten
Warschau, Minsk zu zerstören... die sich gemästet hatten an
Sklavenfabriken und Schreckenslagern. Kein Schweigen
kann für solche Berechnung büßen.

Niemand kann diesen Formen ihren wahren Namen geben.
Wir haben weder die Tiefe noch die Breite.

Ich kann nur versuchen, mich selbst zu erkennen--soviel ich ertragen kann --
Nachtjahre die versuchen, einer umschließenden Belanglosigkeit zu entgehen.

Werden sie wir sein? Bin ich kompromisslos?

Martin, ich träume von deiner Flucht in eine Berghütte,
wo Ströme die eine Sprache sprechen, die wahr ist,
und niemand den anderen verkauft.

Schließlich sprachst du von Unwillen, vom Öffnen
zum Sein, das dem das Werden sich
eröffnet--ließt ab vom Ausflüchten, Berechnungen.

Du hast uns Größenordnungen gezeigt und Einsätze.

Wir, die Unsicheren, leben im schwelenden
Unbekannten, gebunden an ihren wahren Namen:
Hunderte von Millionen im Massenmord--in diesem
Jahrhundert--aufjedem Kontinent, in fast jedem Land.

Manipuliert von ansteckendem Wahnsinn, betäubt.
Mehr bereit zu lügen und zu morden, als zu wissen und schöpferisch zu sein.
Wir bereiten uns in einem subtileren Treblinka vor.
Doch hier ist es gemütlich, in deiner Hütte, fast wie zu Hause.



14

Polierte rote Bäume um uns singen in der Stille.
Im Feuer dieses stillen Todessturms wirbelt die Karte mit.
Ich habe gelebt wo Hysterie regiert, die mir befiehlt,
zu sprechen und zu schweigen, oder der Hysterie angeklagt zu werden.
Immer noch beunruhigt die nichts, die den Staub nicht sehen können
auf den Goldruten und Blutblumen, oder die nackten
Blüten zum Schweigen gebracht unter einem dünnen Film. Ich stelle mir
nicht vor, daß die Tauben oder Lahmen, wundersam, singen oder tanzen werden.
Und wenn was ich entwerfe, zu gewöhnlich scheint: noch verbranntere
Formen als unsere studieren diese Blaupausen. Schon jetzt
verstärken sich Feuerstürme in Organismen, die nichts aufhält.
Wir leben immer noch in Frieden mit unseren alten Psychosen. Wohin
werden sich die Geschlagenen wenden? Wer wird ihnen helfen oder uns?

Martin, ich weiß, du bist da, schweigend wie immer.
Hannah sagte, du hattest kein Konzept von Gemeinschaft,
kein Talent für Politik, und zogst dich im Alter
in Meister Eckhardt zurück--
     Wohin sonst?--immer fasziniert
von ursprünglicher Offenbarung, ganz gleich, wie entrückt,
und den Wurzeln deines Blutes.
Alleine in deiner Bauernhütte
und Schwarzwald Skistiefeln, im Sommer
genügte dein schwaches Feuer fast.

Unschuld macht unsere Unterhaltung harmlos, impotent,
bis wir lernen, zu dienen, zu öffnen, zu bedienen--
wie du es letztlich versuchtest, Martin--dem vielfältigen
Unbekannten, dessen Echo über unsere Worten hinaus klingt.

Rauch von vielen Feuern wirbelt unheimlich um unsere bleichen Flammen,
die auch mich verschlingen, Martin. Mit wem rede ich?



Josef Pesch

Josef Pesch is a free translator and (at the moment) an itinerant scholar. He has held positions at Universität des Saarlandes in Saarbrücken and at Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Forthcoming publications are on Michael Ondaatje's The English Patient in Ariel (Calgary), on his Running in the Family in Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik (Tübingen), and on E.E. Cummings in Spring (New York). His Habilitation project is on "North American Post-Apocalyptic Writing."



Inhaltsverzeichnis | Mudlark No. 4