Mann und Selbstmörderin
Hier liegst du! Dein Blut auf der Wange
Stockt längst in der spärlichen Rinne.
Ich starre und harre schon lange,
Daß mein Aufschrei nun Stimme gewinne,
Da mein Schmerz zu Boden mich werfe . . .
Kein Aufschrei! Das Aug nur im Innern
Funkelt mit Sirius-Schärfe.
Du Weib in dem spärlichen Blute,
(Warte, gleich werde ich schreien!)
Minute versinkt um Minute
Wie zögerndes Stöbern und Schneien.
Ich bin schuldig! Nicht gibt es Verzeihung!
Unerbittlich verdammt mich dein Schweigen,
Doch ich atme, ich atme Befreiung.
Geliebte, wie hast du mein Wesen
Getrübt und mit Dämpfen beschlagen!
Nun will ich zusammen mich lesen . . .
(Warte, gleich werd ich aufklagen! )
Dein Tanzen, dein Wiegen, dein Schmiegen,
Dein Duft versiegt, und ich springe,
Wieder jung, aus dem schlaffen Verliegen.
Kann ich je dieses Grauen vergessen?
(Warte, schon kommt mir ein Wimmern!)
Nun werd ich in Wirtshäusern essen
Und sitzen in männlichen Zimmern.
Durch die Straßen flaniere ich hager,
Auf dem Feldbett schlafe ich wieder,
Und nachts hol ich Huren zum Lager . . .
Sind es Geister, die die Toten wecken?
Lichter, erbarmungslose,
bers glasige Auge irren.
Der Mann lässt die silberne Dose
Aus der Hand auf den Boden klirren.
Die Tote scheint sich zu rühren.
Auf dem Gang gellt plötzlich sein Rufen.
Schon schlagen im Hause die Türen.
Husband and Suicide
Here you lie. The blood on your cheek
Long clotted into a meager line.
I have been staring long and waiting
For my outcry to find a voice now,
For my pain to throw me to the floor...
No outcry. Only that eye from within
Twinkles with the sharpness of the Dog Star.
For you woman, with that meager blood
(Wait, I shall be shouting soon enough),
Minute after minute sinks away
As though drifting and snowing in halts.
It is my fault. There is no forgiveness.
Your pitiless silence damns me,
But I breathe, I breathe deliverance.
Dear, how you have cast such clouds
And mists over my very existence.
Now I shall pull myself together...
(Wait, I will be wailing aloud soon.)
Your dancing, your swaying, your fondling,
Your fragrance peters out, and I spring
Young again, from lying limp so long.
Can I ever forget this horror?
(Wait, a whimper is coming on.)
Now will I eat in tavern restaurants
And take a seat in manly guest rooms.
I shall stroll in lean form through the streets.
I shall sleep on an army cot again,
And each night I will bring whores home to bed...
The lights, showing no mercy,
Wander over her glassy eyes.
The husband lets the silver pillbox
Clatter out of his hand to the floor.
The dead woman appears to move.
In the hallway, his calling suddenly rings out.
The doors in the house already slam.
[1930s]
James Reidel | Elegie an einen Jugendgefährten > Elegy to a Boyhood Companion
Contents | Mudlark No. 69 (2020)